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Die im optischen (klassischen) Spektralbereich aufgenommenen Sternspektren
zeigen hinsichtlich ihres Aussehens eine bemerkenswerte Vielfalt. In sie
versuchten bereits Ende des 19. Jahrhunderts E.C. PICKERING und Mrs. W.P. FLEMING eine gewisse Ordnung durch die Einführung der sogenannten
Spektraltypen hineinzubringen. Als Klassifikationskriterien dienten
das Auftreten und die Stärke von Absorptionslinien, die den kontinuierlichen
Spektren überlagert sind. Die nach dem optischen Aussehen klassifizierten
Spektren wurden entsprechend vorgegebener Kriterien mit Großbuchstaben
bezeichnet. Als sich später herausstellte, daß das Aussehen eines Sternspektrums
eine Widerspiegelung der in den Sternatmophären herrschenden Temperaturen
darstellt, wurde die ursprünglich alphabetische Reihenfolge der Spektralklassen
in die heute verwendete - und nur vor dem gerade erwähnten historischen
Hintergrund verständliche - Buchstabenfolge verändert. Dabei wurde eine
Anzahl von Spektralklassen gestrichen und die zunächst dort eingeordneten
Sterne den verbliebenen Spektralklassen zugewiesen.
Eine Verfeinerung des Klassifikationsschemas erfolgte durch die dezimale
Unterteilung der einzelnen Spektralklassen.
Praktisch bestand die Spektralklassifikation in einem visuellen Vergleich
der vorwiegend mit einem Objektiv-Prismenspektrographen aufgenommenen
Sternspektren mit einer Folge von Standardspektren. (Auf diese Weise
klassifizierte Miss A. CANNON Anfang dieses Jahrhunderts rund 360000
Spektren.) Die Ergebnisse sind in dem Henry-Draper-Katalog (abgekürzt
HD Kat.) und seinen
Erweiterungen (HDE) niedergelegt.
Die statistische Auswertung der Spektralklassifikation ergab, daß sich
99% der Sterne in die Spektraltypen der sogenannten Hauptsequenz
einordnen lassen. In ihr ordnen sich die Spektralklassen wie folgt an
1cm
Außer der Hauptfolge gibt es noch Nebenfolgen, mit den Spektralklassen
P, W, Q, N, S und R, durch die Sterne mit spektralen Besonderheiten erfaßt
werden.
Eine genauere Beschreibung des Aussehens der Linien wird durch an die
Spektralklasse angehängte Symbole ermöglicht. Es bedeuten z.B.:
n (nebulous) : verwaschene Linien,
nn : sehr verwaschene Linien,
s (sharp) : scharfe Linien,
e (emission) : Emissionslinien,
v (variable) : veränderliches Spektrum,
k (K-Linie) : starke interstellare CaII-Linien,
p (peculiar) : Besonderheiten, die nur ausführlich zu beschreiben sind.
Auch einige Präfixe wie z.B. w (white) oder d, D (dwarf) für die Kennzeichnung
weißer Zwerge sind in Gebrauch.
Die in der Literatur noch gelegentlich verwendete Bezeichnung "`frühe"'
(O, B), "`mittlere"' (A, F, G) oder "`späte"' (K, M) Spektraltypen ist nur
historisch zu verstehen und hat nichts mit der Entwicklung der Sterne
zu tun.
Die bisher vorgestellte sogenannte Harvard-Klassifikation stellt
eine eindimensionale Sequenz dar, in der die stellare Oberflächentemperatur
der entscheidende physikalische Parameter ist.
Eine vollständige physikalische Beschreibung einer Sternatmosphäre und
damit des von ihr emittierten Spektrums (Kontinuum und Linien aller
Ionisationsstufen) setzt neben der Temperatur auch die Kenntnis des
Verlaufs des Elektronendruckes und der chemischen Zusammensetzung voraus.
Näherungsweise wird davon ausgegangen, daß die chemische Zusammensetzung
der Sterne etwa gleich ist. Dann bleibt als unbekannte variable Größe
der Elektronendruck übrig. Die sich in einer Sternatmophäre einstellende
Druckverteilung ergibt sich aus der Schwerebeschleunigung, die ihrerseits
von den Massen und Radien der Sterne abhängt. So ist ein kleiner Stern
von einer dichteren und weniger ausgedehnten Atmosphäre umgeben als ein
großer Stern gleicher Masse, dessen Atmosphäre wesentlich ausgedehnter ist,
und in der ein deutlich geringerer Druck herrscht.
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Abb. 2:
Schema für eine eindimensionale Grobklassifikation. Die Abarbeitung
der Fragen beginnt im Diagramm oben links. Mit der Angabe der Verhältnisse
von Linien bzw. deren Wellenlängen sind symbolisch deren Linientiefen
gemeint (nach [5]).
Für die in beiden - als
Beispiel herangezogenen - Atmosphären ablaufenden Wechselwirkungsprozesse
zwischen den Photonen und Atomhüllen bedeutet das, daß in der dichteren
Atmosphäre die Stoßverbreiterungsprozesse bei der Linienentstehung eine
wesentliche Rolle spielen, was zu einem verwaschenen Aussehen der
Absorptionslinien führt. Nebenbei bemerkt trägt auch eine eventuelle
rasche Rotation der Sterne zu einer Verbreiterung der Linienprofile bei.
Die am Yerkes Observatorium von W.W. MORGAN und
P.C. KEENAN
entwickelte MK-Klassifikation berücksichtigt die Auswirkungen
der gerade beschriebenen Druckunterschiede auf die Profile der Spektrallinien
als Kriterien. Die Einordnung der Spektren erfolgt durch Schätzungen
von Linienstärke-Verhältnissen im Vergleich zu einem Satz von unter
möglichst gleichen Bedingungen aufgenommenen Spektren von Standardsternen.
Die Kriterien
sind für eine Lineardispersion von 12,5 nm/mm bei der H
-Linie
ausgelegt.
Das MK-System hat zwar eine physikalische Grundlage, ist aber mit der
Vorgabe der Lineardispersion instrumentell festgelegt.
Das zweidimensionale MK-System liefert größenordnungsmäßige
Aussagen über die Radien der klassifizierten Sterne. Der Unsicherheit der
Eichung der Kriterien trägt man dadurch Rechnung, daß Radienintervalle
definiert werden. Sind Radius und Temperatur eines Sternes bekannt, so
läßt sich aus diesen Größen in Verbindung mit dem STEFAN-BOLTZMANNschen
Gesetz in guter Näherung die von der Sternoberfläche emittierte
Gesamtstrahlung, die
Leuchtkraft berechnen. Den eingeführten Radienintervallen entsprechen
Leuchtkraftintervalle, für die die Bezeichnung Leuchtkraftklasse
eingeführt wurde. Im Einzelnen werden sechs durch römische Ziffern
gekennzeichnete Leuchtkraftklassen unterschieden:
Ia -0 : Über-Überriesen,
I : Überriesen,
II : helle Riesen,
III : normale Riesen,
IV : Unterriesen,
V : Zwergsterne (Hauptreihensterne),
VI : Unterzwerge.
In einzelnen Fällen werden Sternen auch Zwischentypen von Leuchtkraftklassen
zugeordnet. Die MK-Spektraltypen einiger bekannter Sterne sind z.B.:
Sonne: G2 V;
Cyg ("`Deneb"'): A2 Ia;
Boo ("`Arctur"'):
K2 IIIp;
Aql ("`Atair"'): A7 IV-V.
Für die Klassifikation muß eine ganze Anzahl von Kriterien herangezogen
werden, da das Auftreten der Spektrallinien an bestimmte Bereiche der
Ionisationstemperatur geknüpft ist. In Tabelle 1 sind einige der Kriterien
symbolisch durch die Angabe der Ionisationsstufen der betreffenden
Elemente und die Wellenlängen (in nm) der zugehörigen Linien
zusammengestellt.
Die Spektralklassifikation besteht praktisch in der Bestimmung der Stärkeverhältnisse
von den in Tabelle 1 angegebenen Linienpaaren. Beschränkt man sich zunächst
auf eine grobe eindimensionale Spektralklassifikation, dann kann man nach
dem in Abb. 2 dargestellten Schema vorgehen. Bei einer zweidimensionalen
Klassifikation ist im Prinzip genauso zu verfahren, allerdings dann unter
Einschluß der Leuchtkraftkriterien.
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Juergen Weiprecht
2002-10-29